Welt-Autismus-Tag

Heute ist Welt-Autismus-Tag, ich grüße daher mal in die neurodiverse Welt im weiteren Sinne und die mitlesenden Autist*innen im Speziellen. Ich bin ja nach wie vor davon überzeugt, dass auch Saskia in irgendeiner Form ins Spektrum passt. Ob es nun Autismus ist (was die Fachleute ja bestreiten), AD(H)S oder ganz etwas anderes, weiß ich nicht – dass sie in mancher Hinsicht einfach anders tickt als andere, wird aber niemand, der sie kennt, bestreiten können.

Momentan läuft leider nichts so richtig gut. Von der Vorstellung, dass Saskia an ihrer aktuellen Schule einen Abschluss schaffen kann, haben wir uns verabschieden müssen. Ich gebe zu, das fällt mir schwer, weil ich eigentlich glaube, dass sie es schaffen könnte. Leider hat sie selbst keinen Antrieb zum Lernen und auch keine wirklichen Ideen, wo es mal hingehen soll. Wieder einmal steht die Werkstatt als Zukunft im Raum und noch immer halte ich die für eine Sackgasse. Aber was dann? Wir haben gerade mal wieder Kontakt zur zuständigen Reha-Beraterin der Arbeitsagentur aufgenommen, aber so ein richtig guter Plan fehlt eben. Mal sehen, ob das demnächst anstehende Gespräch mit Klassenlehrerin und Reha-Beraterin da etwas Licht ins Dunkel bringt. Und ansonsten weiterhin nach Praktikumsplätzen und Therapiemöglichkeiten suchen und nicht verzweifeln.

Schule – und wie weiter?

Wieder einmal stehen wir vor der Frage, wie es nach der Schule weiter geht. Oder auch erstmal in der Schule. Leider ist Saskia ja seit einiger Zeit so gar nicht motiviert, irgendetwas zu lernen. Und leider fliegt es ihr auch nicht zu, ohne dass sie etwas tut. Zwei Wochen lang Filter für Dunstabzugshauben zu falten und zu verpacken, fand sie sehr doof. (Ach was?!) Aber Ideen, was sie mach der Schule machen könnte, hat sie auch nicht. Schwierig, das Ganze. Für einen Schulabschluss sieht es leider derzeit sehr, sehr düster aus. Und uns gehen allmählich die Ideen aus.

Das Klassenteam ist der Meinung, ohne ESA (ehemals „Hauptschulabschluss“) wäre die Chance, von der Rehaabteilung der Arbeitsagentur gefördert zu werden, viel größer als mit Schulabschluss (denn dann könne sie ja – nach deren Meinung – eine normale Ausbildung machen). Ich weiß nicht, ob das so stimmt, mir ist beim Gedanken, dass mein Kind die Schule ohne Abschluss verlässt, sehr mulmig – weil ich Angst habe, dass es dann eben doch auf lebenslänglich Filter falten, Tüten kleben oder Stifte verpacken in der Werkstatt rausläuft. Und das will man doch nicht. Nur: Was dann?

Nächste Woche ist Elterngespräch, bin gespannt, ob uns das irgendwelche neuen Erkenntnisse bringt.

„Ist sie eigentlich Autistin?“

… das wurde ich häufiger gefragt in letzter Zeit, wenn ich über Saskia gesprochen habe. Von Ärzt:innen, Therapeut:innen, Menschen aus dem schulischen Umfeld, Leuten, die mit Autisten arbeiten… Also vermutlich nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Tja.

Was antwortet man dann? „Offiziell nicht.“ Wir haben jedenfalls keine entsprechende Diagnose. Der beste Ehemann von allen und ich sind uns relativ sicher, dass Saskia irgendwo ins autistische Spektrum passt, aber die Sache mit der Diagnostik ist nicht so einfach. Die letzten Psychologen, die sich damit beschäftigen sollten, überreichten uns zahlreiche Fragebögen und machten in den Einzelterminen mit Saskia dann lieber allgemeine Intelligenztests. Fragebögen, bei denen es u.a. (in weiten Teilen) um Saskias Verhalten im Alter von 4-5 Jahren ging – erstens ist das über 10 Jahre her, zweitens (und wesentlich gravierender): Damals ging es ihr extrem schlecht – sie saß buchstäblich sabbernd im Rollstuhl, da war quasi gar nichts mit Verhalten.

Ohne Diagnose aber auch keine entsprechende Therapie und ohne Therapie kommen wir irgendwie nicht weiter.

Einschulung

Der Urlaub ist vorbei, der Alltag hat uns noch nicht ganz wieder, denn derzeit ist alles noch sehr neu und einiges muss sich auch noch zurecht rütteln. Nachdem wir ja lange um einen (hoffentlich) passenden Schulplatz gekämpft haben, kam danach noch der Kampf um die Beförderung und wir erhielten zwar zu Beginn der Ferien noch eine Zusage, das (von der Eingliederungshilfe gewählte) Busunternehmen hatte uns einen Tag vor Schulbeginn allerdings noch nicht im System. Uff.

Mit der neuen Schule kommen auch unterschiedliche Schulzeiten je nach Wochentag, die wir noch mit dem Busunternehmen klären müssen. In den vergangenen 4 Jahren hatten wir ja eine „verlässliche Schule“ mit festen Schul- / bzw. Betreuungszeiten von Montag bis Freitag jeweils  8-15 Uhr (vorher war es etwas komplizierter). Jetzt hat Saskia an 2 Tagen bis 14 Uhr, an zwei Tagen bis 15:40 und freitags bis 13 Uhr Unterricht. Mal sehen, was wir daraus machen. Diese Woche kommt an zwei kurzen Tagen noch Logopädie (wegen der Stimmlippenparese) dazu, wie wir das dauerhaft organisieren, steht noch nicht endgültig fest.

Für Saskia gibt es natürlich eine komplett neue Klasse (die Klasse besteht aus zwei Jahrgängen – Saskia scheint die Jüngste zu sein, das ist überraschend, weil sie als September-Geborene ja zu den Ältesten ihrer bisherigen Klasse gehörte. 6 SchülerInnen wurden mit ihr gemeinsam eingeschult – 7 oder 8 weitere sind bereits ein Jahr da, wir haben bisher nur die „Neuen“ gesehen),  neue Lehrer, neue Abläufe … und irgendwann auch erstmals in ihrem Schulleben Zensuren. Ich bin sehr gespannt, wie das alles wird und ob mein Töchterlein irgendwann vielleicht doch noch einen Schulabschluss machen wird oder einen ganz anderen Weg geht und wohin der sie führen wird. Morgen steht für sie jedenfalls erstmal ein „ESA-Tag“ mit Deutsch, Englisch und Mathe auf dem Programm.

Statt Schultüte

Eine Schultüte gabs diesmal zu Einschulung nicht, dafür eine Tasche, da Saskia sich ja seit Jahren weigert, Rucksaäcke auf dem Rücken zu tragen und ich dieses „Ich trage den Rucksack am ausgestreckten Arm vor mir her“ nicht mehr mit ansehen konnte. Leider macht sie mit der Tasche bisher das Gleiche. (Ich verstehe es nicht.) Den Wecker hatte sich Saskia irgendwann ausgesucht. Eine Party gab es zur Einschulung auch nicht, wir waren aber mit der Oma lecker Mittagessen.

Eins, zwei, drei – die Schule ist vorbei

…. sechs, sieben, acht … und weiter wird gemacht.
Ja, ja – reim dich oder ich fress dich 😉
Saskia hat ihre Schulzeit an ihrer bisherigen Schule beendet, es gab eine schöne Abschlussfeier, bei der nicht nur die sechs SchülerInnnen aus Saskias Klasse, sondern auch noch weitere AbgängerInnen aus der Werkstufe und der sogenannten MF-Klasse verabschiedet wurden. Die Meisten hatten sich richtig schick gemacht – es gab Reden der SchülerInnen*, des Klassenteams, des Schülerrats und der Direktorin – traditionell hatte die nächstjüngere Klasse die Pausenhalle hübsch dekoriert und nach dem offiziellen Teil gab es (für unsere Klasse) ein kaltes Büffet in der Turnhalle. Das ursprünglich geplante Grillen war buchstäblich ins Wasser gefallen – es schüttete wie aus Eimern, nachdem vorher wochenlang strahlender Sonnenschein war.


Alle waren ein bisschen traurig und wehmütig. Es gab Tränen (zumindest) bei den Mädchen (vielleicht auch bei den Jungs, das hab ich nicht genau gesehen). Der Rest der Klasse wird auf andere Klassen (bisherige 9. bzw. 8./9. und Werkstufe) aufgeteilt und in der Schule bleiben – die AbgängerInnen wechseln auf unterschiedliche Schulen.
Wir haben tatsächlich nach all dem Hin und Her kurz vor Schuljahresende eine Bewilligung bekommen, dass Saskia künftig an die gewünschte Schule im Nachbarbundesland gehen darf (und zwar als Reaktion auf unseren Härtefallantrag im anderen Bundesland – von unserem eigenen Ministerium haben wir komischerweise trotz gegenteiliger Ankündigung nichts mehr gehört). Es ist nicht ganz klar, ob das nur für ein Jahr oder für (die eigentlich vorgesehenen) zwei Jahre gilt. Wir freuen uns erstmal drüber und klären dieses „kleine Detail“ später – sonst wecken wir womöglich noch schlafende Hunde. Es ist ausdrücklich eine absolute Ausnahme, sagte man uns und die Frage der Beförderung blieb auch offen. Heute erhielten wir eine Mail von der Eingliederungshilfe, dass die Beförderung wohl diese Woche noch genehmigt werden soll. Ich hoffe, das klappt dann ab Mitte August alles.
Ich bin sehr gespannt, wie es an der neuen Schule laufen und wie Saskia klar kommen wird. Ob sie wieder jemanden als „SprecherIn“ findet oder doch selbst mit LehrerInnen redet? Wie es sein wird, wenn es plötzlich Zensuren gibt, was sie ja noch nie erlebt hat usw. usf.
Und damit es über den Sommer nicht zu langweilig wird, steht direkt wieder die Suche nach einem Praktikumsplatz für den Herbst auf dem Programm. Uff.


*Nein, Saskia hat keine Rede gehalten – das war auch nicht überraschend. Eine Mitschülerin hat das für sie übernommen, das war auch so in Ordnung. Schade fand ich, dass Saskia auch nicht nach vorn kam, um ihr Zeugnis in Empfang zu nehmen – das brachte ihr die Schulleiterin dann an den Platz.

Verrückt bleiben!

Die verbleibenden Wochen bis zum Schuljahresende kann ich inzwischen an einer Hand abzählen. Dann ist an der derzeitigen Schule Schluss. Das steht fest.

Was leider noch immer nicht feststeht, ist, wie es nach den Sommerferien weiter geht.

Das Ministerium in unserem Heimatbundesland empfahl, im Nachbarbundesland einen Härtefallantrag zu stellen und zu begründen, weshalb es nicht möglich ist, dass Saskia im eigenen Bundesland zu Schule geht. Erste Frage des Zuständigen im Nachbarbundesland: „Und wer bezahlt das?“ Jooo … Sehr nett.

Wir haben mit vielen Menschen gemailt, telefoniert und videofoniert:

  • Mit dem Direktor der Förderschule im Ort, der uns mit vielen Tipps unterstützt hat und auch dafür gesorgt hat, dass Saskia auf eine Liste kam, auf der die Schüler erfasst wurden, für die die Gastschulplätze nicht ausreichten und mit der beim Ministerium weitere Gastschulplätze beantragt wurden.
  • Mit der Reha-Beraterin der Arbeitsagentur, die uns bescheinigte, dass einerseits kein geeigneter Schulplatz im eigenen Bundesland zur Verfügung steht, Saskia aber andererseits noch Zeit für die weitere Reifung und Persönlichkeitsentwicklung benötigt und die gleich noch ein ärztliches Gutachten in Auftrag gab.
  • Mit dem Schulrat unseres Kreises
  • Mit dem Bildungsministerium unseres Bundeslandes
  • Mit der Schulbehörde des Nachbarbundeslandes
  • Mit dem Klassenteam und der Schullleiterin von Saskias derzeitiger Schule
  • Mit der Leiterin des beruflichen Zweiges der (hoffentlich) künftigen Schule, die uns vorschlug, Saskia könne ja ins schuleigene Internat ziehen und würde damit im „richtigen“ Bundesland wohnen, um dort dann auch in die Schule zu gehen.
  • Mit der Leiterin des Internats, die uns erklärte, dass für die Beantragung des Internatsplatzes zuerst der Schulplatz sicher sein müsse. Tja.
  • Mit der Eingliederungshilfe, da die Schulbehörde höchstwahrscheinlich die Beförderung nur bis zum 10. Schuljahr übernimmt.

Mit einigen der genannten Menschen hatten wir immer wieder Kontakt, mit anderen nur einmalig.

Wir haben im Nachbarbundesland einen Härtefallantrag gestellt, auf den wir bislang keine Antwort haben. Wir haben inzwischen eine Zusage der Schule, auf die wir Saskia gern schicken möchten. Und wir haben über mehrere Ecken eine mündliche Zusage der Referentin unseres Bildungsministeriums, dass wir eine Genehmigung für den weiteren Schulbesuch im Nachbarbundesland bekommen, wenn wir bestimmte Anträge und Bescheinigungen beim Schulrat einreichen. Das haben wir getan, aber schriftlich gibt es bislang nichts und ich bin inzwischen viel zu misstrauisch, um mich auf mündliche Zusagen zu verlassen.

Zwischenzeitlich erhielten wir das Gutachten des ärztlichen Dienstes der Arbeitsagentur, in dem leider nur stand, dass man nichts begutachten konnte, weil nicht genügend Unterlagen und Zeugnisse vorgelegen hätten. Uff! Nicht nur, dass wir etliche Unterlagen mit eingereicht und Schweigepflichtsentbindungen für verschiedene Ärzte unterschrieben hatten, es kam offenbar auch niemand auf die Idee, mal bei uns nachzufragen (wir haben so ziemlich alle Arztberichte als Kopie und hätten sie vorlegen können und natürlich auch die Zeugnisse – von denen vorher nie die Rede war). Ich gebe zu, das hat mich sehr geärgert. Die Reha-Beraterin sah das zum Glück ähnlich und öffnete den Fall erneut – mit dem Ergebnis, dass nun nicht mehr nach Aktenlage begutachtet werden sollte, sondern „Frau Saskia X.“ eine schriftliche Aufforderung erhielt, sich doch am soundsovielten um 10 Uhr mit ihren gesetzlichen Vertretern bei der Arbeitsagentur in der Kreisstadt einzufinden. Auch nett. Ist ja nur eine knappe Dreiviertelstunde Autofahrt pro Richtung (oder alternativ gut anderthalb Stunden mit Öffis), aber ich hab ja ohnehin viel zu viele Urlaubstage, die nutze ich natürlich gern für solche Termine. Nun gut, inzwischen ist das auch erledigt und wir haben haben es schriftlich, dass derzeit keine Ausbildungsreife auf dem 1. Arbeitsmarkt besteht.


Die Überschrift ist eine Reminiszenz an Dieter Hildebrandt in „Linie 1“ – der Film hat nichts mit dem Thema zu tun, aber der Satz fällt mir bei dem ganzen Theater durchaus öfter mal ein.

Förderalismus durchgespielt …

… und verloren.

Alle bedauern, nicht helfen zu können. Einer schiebt es auf den anderen und am Ende bleibt Saskia auf der Strecke, weil das eigene Bundesland keine passenden Schulen bietet und das Nachbarbundesland nicht bereit ist, Saskia aufzunehmen, wenn die Bezahlung nicht geklärt ist.

Bleibt dann wohl doch die Werkstatt für behinderte Menschen im eigenen Bundesland. Danke für Nichts, deutscher Förderalismus-Schwachsinn!