Zum ersten Mal seit 14 Jahren habe ich in diesem Jahr meinen Geburtstag ohne meine Tochter gefeiert, denn sie war zu der Zeit in einer Klinik. Nichts Akutes, ein geplanter Aufenthalt für 10 Tage und zum ersten Mal ohne Eltern in einer Klinik. Das war einerseits seltsam, andererseits fährt Saskia ja auch ohne Probleme (und ohne Eltern) regelmäßig auf Kurzzeitpflege-Freizeiten und vielleicht wäre es für das Ziel des Aufenthaltes ja sogar besser, wenn die Eltern nicht helikopternderweise dabei sind und sich der Teenie lieber an den etwa gleichaltrigen MitpatientInnen orientieren kann als an Papa und Mama zu kleben, dachten wir uns.
Letztlich war es die richtige Entscheidung. Saskia teilte sich (auf eigenen Wunsch) ein recht kleines Zimmer mit zwei weiteren Mädels und die drei waren schnell ein eingeschworenes Team. Wir Eltern nutzten das Angebot der Klinik, eine Gästewohnung auf dem Gelände zu mieten und konnten so an den ersten Tagen in der Nähe (etwa 100m Luftlinie) sein und ein paar Gespräche mit Ärzten, Psychologin und Pflegepersonal führen, bevor wir nach Hause fuhren und Saskia für die restliche Zeit in fremder Obhut ließen.
Wir hatten nach den ersten Tagen dort einen sehr positiven Eindruck von der Einrichtung, der sich auch bei den Arztgesprächen am letzten Tag bestätigte. Man nahm uns Eltern ernst, hörte zu, sprach offenbar im Team tatsächlich auch miteinander, so dass wir nicht alles x mal erzählen mussten und stellte sinnvolle Fragen zu den vorher eingereichten zahlreichen Arztbriefen. Auch der Umgang mit den Patienten war toll: Am Wochenende waren beispielsweise nur die 3 Mädchen aus Saskias Zimmer auf der Station, zwei andere Kinder waren schon morgens von den Eltern abgeholt worden. Als wir kamen, zum Saskia zu einem Ausflug abzuholen, saßen Saskia und ihre Zimmergenossinnen gemeinsam mit zwei ÄrztInnen und zwei PflegerInnen im Aufenthaltsraum um einen recht kleinen Tisch, unterhielten sich fröhlich und frühstückten gemeinsam. Sah sehr gemütlich und familiär aus.
Sinn der Aktion war es, ein paar psychologischen Besonderheiten unserer Tochter auf die Spur zu kommen und vielleicht ein paar Ansätze für den Alltag zu finden. Wir leben hier im Moment mit einer Epilepsie, die relativ wenig Probleme macht (außer, dass sie leider überhaupt wieder aktiv ist), aber auch mit einer Mischung aus Mutismus, irgendwas aus dem Bereich Autismus, irgendwelchen Ängsten oder mangelndem Selbstvertrauen, Verweigerung und Pubertät. Das ist … ähmm … anstrengend. Und ermüdend.
Der Versuch, hier vor Ort psychologische Hilfe zu bekommen, scheiterte zunächst an der Aussage, bei Intelligenzminderung sei Psychotherapie nicht sinnvoll (bzw. nicht möglich) und schließlich an zu wenig freien Terminen bei der einzigen Psychologin, die bereit war, auch mit einem behinderten Kind zu arbeiten. Sie meinte, mit einer Stunde pro Woche (die sie auch nicht hätte) kämen wir nicht weiter, wir sollten es doch mal mit einer stationären Reha probieren. Der Aufenthalt in der Klinik war ein erster Schritt in diese Richtung.
Interessant war, dass Saskia in der Klinik von Anfang recht offen und zugänglich war – eigentlich untypisch für sie. Andererseits machte sie auch in der Klinik in bestimmten Situationen dicht – so sehr, dass niemand mehr an sie ran kam, konnte aber innerhalb von Sekunden zurück zum „Normalmodus“ wechseln, wenn die Situation sich änderte und man mit ihr beispielsweise Unsinn machte. So ließ sie 20 Minuten lang nicht zu, dass ihr VNS ausgelesen wird, unterhielt sich dann aber fröhlich mit den ÄrztInnen über Einhörner. Tja.
Die Psychologin konnte wohl einige Tests mit Saskia machen, in denen sie auch richtig gut war. Andere verweigerte sie völlig. Ein klares Bild ergä sich so nicht, meinte die Psychologin. Saskia falle durch alle Raster. Wir hätten da tatsächlich ein ganz besonderes Kind (das wussten wir natürlich schon 😉 ). Für den Förderschwerpunkt „GE“ (Geistige Entwicklung) sei sie aber auf jeden Fall zu fit, das sollten wir auf „L“ (Lernen) ändern lassen. Mal sehen, was die zuständigen Ämter dazu sagen…